IV
Der Buddha Śākyamuni nahm einst als ein grosser König unter den Ärzten Wiedergeburt.Er heilte alle Krankheiten, strebte (aber) nicht nach Ruhm und Gewinn; (denn er übte seine Kunst) aus Mitleid mit den Lebewesen.Die Kranken waren zu zahlreich.Seine Kraft reichte nicht aus, alle zu retten.Er war betrübt darüber, da er nicht handeln konnte, wie er gemocht hatte.Aus Kummer starb er und wurde im Trāyastriṃśa-Himmel wieder geboren.Er dachte bei sich:“Ich bin jetzt im Himmel wieder geboren.Ich geniesse nur die Belohnung meiner guten Werke, ohne sie vermehren zu können.”Darauf dachte er sich ein Mittel aus, das ihm den Tod brachte.Er verliess das lange himmlische Leben und wurde als Schlangenprinz im Palast des Schlangenkönigs Sāgara wiedergeboren.Dort wuchs er auf.Seine Eltern liebten und schätzten ihn.Er wollte (aber) den Tod herbeiholen und näherte sich deshalb dem Garuḍa-Vogel-König. 〔15〕 Der Vogel ergriff dann die junge Schlange und verschlang sie auf einem Śābarī-Baum. 〔16〕 Die Eltern heulten, schrien, weinten und waren betrübt.Nachdem die junge Schlange gestorben war, wurde sie in Jambudvīpa als Kronprinz wiedergeboren.Dieser konnte von Geburt an sprechen.Er fragte die Leute seiner Umgebung:“Was gibt es jetzt in diesem Land?Holt alles herbei und verschenkt es!”Die Leute wunderten sich darüber und bekamen Angst.Sie verliessen ihn alle und gingen weg.Seine Mutter liebte ihn und blieb allein bei ihm.Er sprach zu seiner Mutter:“Ich bin kein Rākṣasa.Warum sind die Leute weggegangen?Ich bin von früheren Geburten her freigebig.Ich bin der Dānapatis 〔17〕 aller Menschen.”Seine Mutter hörte seine Worte und erzählte sie den Leuten.Die Leute kehrten darauf zurück.Seine Mutter zog ihn gut auf.Als er herangewachsen war, spendete er alles, was er selber besass.Er begab sich zu seinem königlichen Vater und forderte Sachen, um zu spenden.Sein Vater gab ihm seinen Teil, und er verschenkte alles.Er sah, dass die Leute in Jambudvīpa arm und mühbeladen waren und wollte ihnen spenden.Aber seine Reichtümer und sein Besitz reichten nicht aus.Er weinte dann und fragte die Leute:“Was für ein Mittel soll man anwenden, um allen (Leuten) genügend Reichtum zu verschaffen?”Die alten Leute sprachen:“Wir haben gehört, dass es eine Wunschperle geben soll. Wer diese Perle erhält, kann verlangen, was er möchte.Es gibt nichts, das er nicht erhalten könnte.”Nachdem der Bodhisattva diese Worte gehört hatte, sprach er ehrerbietig zu seinen Eltern, dass er über den grossen Ozean hinausziehen wollte, um die Wunschperle auf dem Kopf des Schlangenkönigs zu suchen.Seine Eltern antworteten:“Wir haben nur dich, den einzigen Sohn.Wenn du über den grossen Ozean hinausziehst, wirst du die Gefahren nicht überwinden können.Wenn wir dich plötzlich verlieren, wozu sollen wir noch weiterleben?Geh nicht!In unserer Schatzkammer sind noch Sachen.Wir werden sie dir geben.”Der Sohn sprach:“Was in der Schatzkammer ist, ist beschränkt.Mein Wunsch (aber) ist unendlich.Ich will alles mit Reichtümern erfüllen und dafür sorgen, dass niemand in Not ist.Bitte, gebt mir die Erlaubnis, damit ich meinen ursprünglichen Wunsch erfüllen kann und alle Leute in Jambudvīpa wohlhabend werden.”Seine Eltern merkten, dass seine Willenskraft gross war und wagten nicht, ihn zurückzuhalten.Sie liessen ihn dann fahren.Zu dieser Zeit wussten fünfhundert Kaufleute, dass sein Glück und seine Tugend gross war.Jeder von ihnen folgte ihm gern.Sie kannten den Tag seiner Abreise und versammelten sich dann an dem Abfahrtsort am Meer.Der Bodhisattva hatte früher gehört, dass der Schlangenkönig Sāgara eine Wunschperle auf dem Kopfe habe.Er fragte die Leute:“Wer kennt den Seeweg bis zum Palast der Schlange?”Es gab einen blinden Mann namens To-schö 〔18〕 .Er war schon siebenmal über den grossen Ozean gefahren und kannte den Seeweg ganz genau.Der Bodhisattva befahl ihm daher, mitzufahren.Er antwortete:“Ich bin schon alt und auf beiden Augen blind.Obwohl ich oft hingefahren bin, kann ich diesmal nicht mitfahren.”Der Bodhisattva sprach:“Meine diesmalige Reise ist nicht eigennützig.Ich suche für alle nach der Wunschperle.Ich will alle Lebewesen sättigen, damit sie keinen Mangel leiden.Erst dann werde ich sie mit Lehren und Gesetzen, je nach ihrer Anlage, belehren und bekehren.Du bist ein kluger Mann.Wie kannst du dich weigern?Wenn ich meinen Wunsch erfüllen kann, geschieht das nicht durch deine Hilfe?”To-schö hörte seine gewichtigen Worte und stimmte frohen Herzens zu.Er sprach zu dem Bodhisattva:“Ich fahre jetzt mit dir über den grossen Ozean hinaus.Ich kann sicher nicht länger leben.Du sollst meinen Leichnam auf der Insel des goldenen Sandes im grossen Ozean begraben.”Alle Vorbereitungen waren getroffen.Sie schnitten das siebente (Anker) tau ab.Das Schiff setzte sich in Bewegung wie ein Kamel und erreichte die All-Juwelen-Insel.Die Kaufleute wetteiferten, die sieben (Arten) Juwelen an sich zu nehmen.Nachdem jeder genug genommen hatte, sprachen sie zu dem Bodhisattva:“Warum nimmst du gar nichts?”Der Bodhisattva antwortete:“Was ich suchen will, ist die Wunschperle.Solche erschöpflichen Dinge kann ich nicht gebrauchen.Jeder von euch soll zufrieden sein und Mass halten, dass das Schiff nicht zu schwer beladen wird und sich (vor Schiffbruch) bewahren kann.”Zu dieser Zeit sprachen die Kaufleute ehrerbietig zu dem Bodhisattva:“Ehrwürdiger!Sprich uns den Segen, damit wir Sicherheit erhalten.”Darauf verabschiedeten sie sich 〔19〕 .To-schö sprach zu dieser Zeit zu dem Bodhisattva:“Lass Boote und Schiffe hier bleiben und fahre auf diesem Abweg weiter.Warte sieben Tage (bis) der Wind (günstig wird) und fahre (dann) bis zu einem schwer zugänglichen Ort am südlichen Ufer des Ozeans.Dort wirst du sicher eine überhängende Klippe finden und darauf einen Wald von Dattelbäumen, deren Zweige sämtlich bis zur Wasseroberfläche herunterreichen.Ein Sturm wird sich auf das Schiff stürzen, und das Schiff wird dadurch zerschellen und untergehen.Du sollst dann nach oben in die Zweige der Dattelbäume greifen, damit du dich retten kannst.Ich bin blind und werde hier sterben.Jenseits des schmalen Ufers muss es eine Insel aus goldenem Sand geben.Du sollst meinen Leichnam in dem Sand begraben.Der goldene Sand ist rein und mir wünschenswert.”Er tat nach dessen Worten.Als der (günstige) Wind kam, fuhr er dorthin.Nachdem er die überhängende Klippe erreicht hatte, geschah alles, wie To-schö vorausgesagt hatte.Der Bodhisattva griff nach oben in die Dattelbaumzweige und es gelang ihm, sich zu retten.Er legte To-schös Leichnam nieder und beerdigte ihn im goldenen Boden.Darauf ging er allein weiter, wie er (To-schö) ihm vorher angegeben hatte.Er schwamm sieben Tage im tiefen Wasser, ging sieben Tage im Wasser bis zum Hals, sieben Tage im Wasser bis zur Hüfte, sieben Tage im Wasser bis zu den Knien und sieben Tage im Schlamm 〔20〕 .Er sah (dann) schöne Lotosblüten, frisch, fein und zart.Er dachte bei sich:“Diese Blüten sind zart und zerbrechlich. Ich muss in die Vertiefung des Nichtseins (Śūnyatāsamādhi ?) eintreten.”Er machte seinen eigenen Körper leicht und ging sieben Tage auf den Lotosblüten.Er sah (dann) giftige Schlangen und dachte:“Die giftigen Gewürme sind schrecklich”.Dann trat er in die Vertiefung des Mitleides (Karuṇāsamādhi ?) ein und ging sieben Tage auf den Köpfen der giftigen Schlangen.Die Schlangen hoben alle ihre Köpfe zu dem Bodhisattva hoch, damit er darauf treten und weiterschreiten konnte.Nachdem er diese Gefahr überwunden hatte, sah er eine siebenschichtige Juwelenstadt.Sie besass siebenfache Schutzgräben 〔21〕 .Die Schutzgräben waren mit giftigen Schlangen gefüllt.Es gab zwei grosse Schlangen, die das Stadttor bewachten.Die Schlangen sahen, dass der Bodhisattva ein schönes Äussere und ernste Würde besass, und dass er alle Gefahren überwinden und hierherkommen konnte. Sie dachten:“Dies ist kein gewöhnlicher Mensch.Er ist sicher ein Bodhisattva, ein Mann mit grossen Verdiensten.”Sie liessen ihn dann weitergehen.Er ging direkt in den Palast.Das Schlangenkönigspaar hatte vor kurzem seinen Sohn verloren und weinte immer noch bitterlich.Sie sahen den Bodhisattva kommen.Die Schlangenkönigin hatte übermenschliche Fähigkeiten und wusste, dass er ihr Sohn gewesen war. Milch floss aus ihren Brüsten.Sie liess ihn sich hinsetzen und fragte ihn:“Du bist mein Sohn gewesen.Du hast mich verlassen und warst gestorben. Wo bist du wiedergeboren?”Der Bodhisattva kannte auch seine frühere Geburt und wusste, dass sie seine Eltern gewesen waren.Er antwortete seiner Mutter:“Ich bin in Jambudvīpa als der Kronprinz eines grossen Königs wiedergeboren.Ich habe Mitleid mit den armen Leuten, die unter Hunger und Kälte leiden, sich fleissig mühen und (doch) zu keiner Zufriedenheit kommen.Darum bin ich hierhergekommen, in der Absicht, die Wunschperle zu suchen.”Die Mutter sprach:“Auf dem Kopfe deines Vaters ist eine solche kostbare Perle.Sie dient ihm als Kopfschmuck und ist schwer erlangbar.Er wird dich sicher in die Schatzkammern führen.Was du haben willst, wird er dir sicher geben.Du sollst antworten:‘Alle anderen Juwelen kann ich nicht gebrauchen.Ich wünsche nur die kostbare Perle auf dem Kopf Eurer Majestät.Wenn ihr Mitleid mit mir habt, bitte, gebt sie mir!’Auf diese Weise kannst du sie sicher erhalten.”Er ging dann, seinen Vater zu sehen.Der Vater war (gleichzeitig) sehr traurig und froh.Seine Freude war unermesslich.Er hatte Mitleid mit seinem Sohn, der von weit her gekommen war und (so viel) Schwierigkeiten überwunden hatte.Er zeigte ihm wunderbare Juwelen (indem er sagte) :“Was du begehrst, das gebe ich dir. Nimm, was du brauchst.”Der Bodhisattva sprach:“Ich bin von weit her gekommen mit dem Wunsch, Euere Majestät zu sehen und um die kostbare Wunschperle auf dem Kopf Euerer Majestät zu bitten.Wenn ihr Mitleid mit mir habt, gebt sie mir!Wenn ihr sie mir nicht gebt, brauche ich kein anderes Ding.”Der Schlangenkönig antwortete:“Ich habe nur diese Perle, die mir stets als Kopfschmuck dient.Die Menschen in Jambudvīpa haben wenig Verdienst und sind gemein.Sie dürfen (diese Perle) nicht sehen.”Der Bodhisattva sprach ehrerbietig:“Ich habe deswegen von weit her die Reise angetreten, die Schwierigkeiten (überwunden) und bin mit Todesverachtung von weit her nach hier gekommen.Weil die Menschen in Jambudvīpa wenig Verdienst haben und armselig sind, wünsche ich mittels der Wunschperle ihre Wünsche zu erfüllen.Dann werde ich sie in der Lehre Buddha's je nach ihrer Anlage unterrichten und sie bekehren.”Da gab ihm der Schlangenkönig die Perle und stellte ihm die Bedingung:“Jetzt gebe ich dir diese Perle.Wenn du stirbst, musst du sie mir wieder zurückgeben.”Er antwortete:“Wie Euere Majestät befehlen!”Der Bodhisattva erhielt die Perle, erhob sich in den Luftraum und erreichte Jambudvīpa (so schnell), wie man seinen Arm zusammenzieht und wieder ausstreckt.Seine Eltern, das menschliche Königspaar, sahen, dass ihr Sohn gut zurückgekehrt war.Sie freuten sich und hüpften (vor Freude).Sie umarmten ihn und fragten:“Was hast du erhalten?”Er antwortete:“Ich habe die Wunschperle erhalten”.Sie fragten:“Wo ist sie jetzt?”Er sprach ehrerbietig:“Sie befindet sich in meinem Kleidersaum.”Die Eltern sprachen:“Wie klein ist sie!”Er sprach ehrerbietig:“Die Hauptsache ist ihre göttliche Fähigkeit, nicht ihre Grösse”.Er sprach wieder ehrerbietig zu seinen Eltern:“Ihr sollt Befehl geben, dass in der Stadt innerhalb und ausserhalb (der Wohnungen) gefegt und gesprengt wird und Wohlgerüche verbrannt, Seidengewebe, Banner und Schirme aufgehängt werden. (Die Leute) sollen fasten und Busse tun. Morgen früh werde ich ein Langes Holz als Stütze nehmen und darauf die Perle legen.”Zu dieser Zeit schwur der Bodhisattva einen Eid:“So wahr ich die Buddhawürde erlangen und alle (Lebewesen) erlösen kann, möge die Perle nach meinem Wunsch alle Kostbarkeiten hervorbringen.Was man auch benötigt, soll vollständig da sein.”Zu dieser Zeit zogen sich die Wolken (über dem ganzen Himmel) zusammen.Es regnete die verschiedenartigsten Kostbarkeiten, Kleider, Getränke, Speisen, Lagerdecken und flüssige Arzneien. Alles, was man benötigte, war im Überfluss da.Bis zu seinem Tode blieb es so ohne Unterbrechung.
Es gibt noch eine Menge von Parallelversionen im chinesischen Tripiṭaka und in den anderen Sprachen, die alle viel ausführlicher sind als die tocharische 〔22〕 .Unten übersetze ich noch einen Auszug aus einer Version. 〔23〕
Der Inhalt der Geschichte ist etwa folgender: Ein König hatte zwei Söhne.Einer war klug, mitleidig und freigebig und wurde daher Kalyāṇamitra genannt.Der Andere war böse und wild und erhielt den Namen Pāpamitra 〔24〕 .Kalyāṇamitra war sehr traurig darüber, dass die Leute immer so arm und elend waren.Er wollte alle ihre Wünsche erfüllen und zog daher über den grossen Ozean hinaus um die Wunschperle zu suchen.Von böser Absicht erfüllt, fuhr Pāpamitra auch mit.
“Nachdem sie den Ozean erreicht hatten, befestigten sie ihr Schiff mit sieben Ankerketten.Sie blieben da sieben Tage liegen.Zur Zeit des Sonnenaufgangs schlug der Prinz Kalyāṇamitra eine Trommel und stellte die Frage:‘Wer von euch will über den Ozean hinausziehen?Derjenige, welcher ausziehen will, soll schweigen.Wenn ihr an eueren Eltern, Brüdern, Frauen, Söhnen und an den Vergnügungen in Jambudvīpa hängt, kehrt von hier zurück. (Ihr sollt) nicht meinetwegen (bleiben). Warum?Im grossen Ozean gibt es verschiedene Schwierigkeiten.Tausend und Zehntausend fahren hin.Nur ein oder zwei können erreichen (ihr Ziel).’So fragte er, und alle blieben still.Er schnitt dann ein Ankertau ab und legte es auf das Schiff.Täglich stellte er die gleiche Frage, bis sieben Tage vergangen waren.Er schnitt dann das siebente Tau ab und legte es auf das Schiff.Als der Wind kam, setzte er das Segel auf.Durch die Barmherzigkeit und die Verdienstkraft des Prinzen hatten sie keine Schwierigkeiten und erreichten die Insel und den Juwelenberg.Nachdem sie den Juwelenort erreicht hatten, schlug der Prinz eine Trommel und erliess den Befehl:‘Ihr sollt wissen, dass der Weg (zurück) sehr weit ist.Ladet schnell Juwelen ein.’Nach sieben Tagen sagte er wieder:‘Die Juwelen sind sehr schwer.In Jambudvīpa kosten sie auch nicht viel.Ladet nur nicht zu viel ein, dass das Schiff sinkt und ihr nicht erreichen könnt, wohin ihr fahren wollt!Nehmt nicht zu leichtsinnig.Der Weg (zurück) ist weit, und es ist nicht der Mühe wert.’Nach dem er die Reisevorbereitungen getroffen hatte, verabschiedete er sich von den Leuten und sprach diese Worte:‘Ihr kehrt von hier in Wohlbefinden und Sicherheit zurück.Ich will gerade weitergehen, um die Wunschperle zu suchen.’
Zu dieser Zeit ging der Prinz Kalyāṇamitra mit dem blinden Führer sieben Tage weiter vorwärts.Das Wasser reichte bis zum Knie.Sie gingen wieder sieben Tage weiter.Das Wasser reichte bis zum Hals.Sie gingen sieben Tage vorwärts, schwammen hinüber und erreichten einen Ort im Ozean.Der Boden war mit weissem Silbersand bedeckt.Der Führer fragte:‘Was gibt es hier?’Der Prinz antwortete:‘Auf dem Boden ist nur weisser Silbersand.’Der Führer sprach:‘Wenn du nach den vier Himmelsrichtungen schauest, soll es einen weissen Silberberg geben. Hast du ihn nicht gesehen?’Der Prinz sprach:‘Im Südosten erscheint ein weisser Silberberg.’Der Führer sprach:‘Dieser Weg führt zum Fuss jenes Berges.’Nachdem sie jenen Berg erreicht hatten, sprach der Führer:‘Demnächst werden wir den goldenen Sand erreichen.’
Zu dieser Zeit wurde der Führer vor Ermüdung ohnmächtig und fiel auf den Boden.Er sprach zu dem Prinzen:‘Mein Körper und Leben können nicht länger bestehen.Ich werde sicher hier sterben.Prinz, geh von hier sieben Tage ostwärts.Dort wird sich ein Goldberg befinden.Geh von diesem Berg noch sieben Tage weiter.Die Gegend ist völlig mit blauen Lotosblüten bedeckt.Geh noch sieben Tage weiter.Die Gegend ist vollständig von roten Lotosblüten bedeckt.Nachdem du diese (Lotos) blüten überschritten haben wirst, wird sich dort eine Stadt aus sieben Juwelen befinden.Die Schutzbauwerke gegen die Feinde 〔25〕 sind vollständig aus gelbem Gold gebaut.Die Schutztürme sind aus weissem Silber gebaut.Aus roten Korallen 〔26〕 sind die Schutzbretter 〔27〕 gebaut. Smaragde 〔28〕 und Achate 〔29〕 sind hie und da dazwischen verteilt.Ein Netz aus echten Perlen bedeckt von oben (die Stadt) 〔30〕 .Es gibt siebenfache Schutzgräben vollständig aus purpurfarbigen Katzenaugen 〔31〕 .Dort wohnt der Schlangenkönig des grossen Ozeans.Jener Schlangenkönig hat in seinem Ohr eine Wunschperle.Geh hin und bitte darum.Wenn du diese Perle erhalten kannst, regnet sie über den ganzen Jambudvīpa die sieben Juwelen, Kleider, Bettdecken, Getränke, Speisen, Arzneien für Kranke und Abgemagerte, Musikinstrumente und Freudenmädchen; kurz gesagt, alle Dinge, die die Lebewesen benötigen, regnet sie nach Wunsch.Deshalb nennt man sie die wertvolle Wunschperle (Cintāmaṇi ). Prinz, wenn du diese Perle erhalten kannst, kannst du sicher deine alten Wünsche erfüllen.’Nachdem der Führer zu dieser Zeit diese Worte gesagt hatte, tat er seinen letzten Atemzug und starb.
Zu dieser Zeit trat der Prinz Kalyāṇ amitra herzu, umarmte den Führer, erhob seine Stimme und weinte bitterlich.‘Was für ein elendes Schicksal habe ich!Während ich noch lebe, verliere ich meine Stütze.’Darauf bedeckte er den Führer mit goldenem Sand und beerdigte ihn im Boden.Er umwandelte ihn sieben Male nach rechts herum, warf sich nieder und ging davon.Er ging vorwärts und erreichte den Goldberg.Nachdem er den Goldberg überschritten hatte, sah er den Boden voll von blauen Lotosblüten.Unter den Lotosblüten waren blaue giftige Schlangen.Diese Schlangen hatten drei Sorten von Gift, das sogenannte Beissgift, Berührungsgift und Hauchgift.Diese giftigen Schlangen umwanden mit ihren Körpern die Lotosstengel, öffneten ihre Augen, keuchten und erblickten den Prinzen. Zu dieser Zeit trat der Prinz Kalyāṇamitra in die Vertiefung des Mitleides (karuṇāsamādhi? ) ein. Mittels der Vertiefungskraft begann er weiterzugehen, trat auf die Lotosblätter und schritt weiter.Da schädigten die giftigen Schlangen (ihn) nicht.Mittels seiner Mitleidskraft erreichte er die Wohnung des Schlangenkönigs.Auf den vier Seiten der Stadt gab es siebenfache Schutzgräben.Die Schutzgräben waren von giftigen Schlangen erfüllt.Sie umwanden sich gegenseitig mit ihren Körpern, erhoben ihre Köpfe, kreuzten ihre Hälse und beachteten das Stadttor.
Zu dieser Zeit gelangte der Prinz vor das Stadttor.Er sah die giftigen Schlangen und dachte mit mitleidiger Gesinnung an die Lebewesen in Jambudvīpa:‘Wenn jetzt mein Körper von den giftigen Schlangen geschädigt würde, würdet ihr Lebewesen sämtlich einen grossen Vorteil verlieren.’Zu dieser Zeit erhob der Prinz die rechte Hand und sprach zu den giftigen Schlangen:‘Ihr sollt wissen.Ich wünsche jetzt wegen aller Lebewesen den Schlangenkönig zu sehen.’
Zu dieser Zeit machten die giftigen Schlangen den Weg frei und liessen den Prinzen durchgehen.Er erreichte die siebenfachen Schutzgräben und die giftigen Schlangen, die die Stadt bewachten, und erreichte schliesslich das Stadttor.Er sah zwei prächtige Mädchen Bergkristallfäden 〔32〕 spinnen.Der Prinz fragte:‘Wer seid ihr?’Sie antworteten:‘Wir sind Mägde des Schlangenkönigs, die das Aussentor bewachen.’Nachdem er gefragt hatte, ging er weiter und gelangte vor das mittlere Tor.Er sah vier prächtige Mädchen weisse Silberfäden spinnen.Der Prinz fragte wieder:‘Seid ihr die Frauen des Schlangenkönigs?’Sie antworteten:‘Nein, wir sind nur die Mägde des Schlangenkönigs, die das mittlere Tor bewachen.’Nachdem der Prinz gefragt hatte, ging er weiter und erreichte das innere Tor.Er sah acht prächtige Mädchen gelbe Goldfäden spinnen. Der Prinz fragte:‘Wer seid ihr?’Sie antworteten:‘Wir sind nur die Mägde des Schlangenkönigs, die das innere Tor bewachen.’Der Prinz sprach:‘Meldet mich dem Schlangenkönig des grossen Ozeans (mit den Worten) :‘Der Prinz Kalyāṇamitra, der Sohn des Königs von Vārāṇasī in Jambudvīpa, ist zu Besuch gekommen und steht jetzt vor dem Tor.’Darauf meldeten die Torbewacherinnen ehrerbietig (dem Schlangenkönig), wie er gesagt hatte.Der König hörte diese Worte, wunderte sich über die Ursache (seines Kommens) und fasste diesen Gedanken:‘Wenn er kein verdienstvoller und vollkommen guter Mensch wäre, könnte er nicht solchen weiten und gefährlichen Weg zurücklegen.’Er bat ihn dann, in den Palast einzutreten. Der König ging ihm entgegen.Im Palast des Schlangenkönigs war der Boden aus purpurfarbigen Katzenaugen.Die Polster und Sitze waren aus den sieben Juwelen.Es gab verschiedenen Glanz, der die Augen blendete. (Der König) bat ihn dann, sich hinzusetzen.Sie fragten einander (nach dem Wohlbefinden).Der Prinz Kalyāṇamitra predigte ihm dann die Lehre, belehrte, ermahnte, erhob und erfreute ihn mit verschiedenen Belehrungen, Stotras, Lehren über das Schenken, Lehren über züchtiges Verhalten und Lehren über Menschen und Himmel.Zu dieser Zeit freute sich der Schlangenkönig des grossen Ozeans innerlich sehr und sagte:‘Du beehrst mich mit deinem Besuch von weit her.Was für ein Ding wünschest du?’Der Prinz sprach:‘Grosser König, alle Lebewesen in Jambudvīpa leiden unter unendlichem Kummer aus Mangel an Kleidern, Reichtümern, Getränken und Speisen.Jetzt möchte ich von Eurer Majestät die Wunschperle aus dem linken Ohr erbitten.’Der Schlangenkönig sprach:‘Geniesse meine ergebene Bewirtung sieben Tage.Dann werde ich sie dir geben’.
Zu dieser Zeit nahm der Prinz Kalyāṇamitra die Einladung des Schlangenkönigs an.Nachdem sieben Tage vergangen waren, erhielt er die Wunschperle und machte sich zur Rückreise nach Jambudvīpa auf.Der Schlangenkönig liess die Schlangengötter ihn durch den Luftraum fliegend begleiten.Er erreichte das diesseitige Ufer und sah seinen jüngeren Bruder Pāpamitra.” 〔33〕
Pāpamitra war neidisch auf seinen Bruder.Als Kalyāṇamitra eingeschlafen war, durchstach er ihm mit zwei Bambusstäben die Augen, raubte die Wunschperle und fuhr zurück.Er erzählte seinen Eltern, dass Kalyāṇamitra ertrunken wäre.Nach langen Abenteuern gelang es dem Kalyāṇamitra mit Hilfe einer weissen Wildgans nach seiner Heimat zurückzufahren.