Pāli āsīyati
Trenckner leitet Pāli āsīyati von √ śyā +ā ab und weist darauf hin, da Childers visīveti mit Recht zu derselben Wurzel gestellt hat 〔1〕 .Er hat jedoch nicht versucht, die Bedeutung festzustellen.E.Müller leitet ebenfalls āsīyati und visīveti von √ śyā +ā bzw.+vi ab und gibt als Bedeutung“to cool oneself”bzw.“to warm oneself”an 〔2〕 .Morris führt āsīyati auf eine andere Wurzel zurück und zwar auf √ śrā (śrai, śai oder śrī ).Unter Bezugnahme auf die Stelle im Milindapañho 75, 18 übersetzt er āsīyati mit“becomes ripe”,“comes to perfection or maturity” 〔3〕 .Nyānatiloka scheint āsīyati auf √ sā zurückführen zu wollen, da er das Wort mit“endet”wiedergegeben hat 〔4〕 .
Das Pali-English Dictionary der P.T.S.stellt āsīyati einerseits und sīyati und visīyati (Kaus. visīveti , Kaus.II visīvāpeti ) andererseits zu zwei verschiedenen Wurzeln.sīyati und visīyati leitet es von √ śyā ab, wie Childers, Trenckner, E.Müller und Geiger 〔5〕 es getan haben.Diese Ableitung scheint zutreffend zu sein, wenn wir die folgenden Belege berücksichtigen: kāmaṃ bhijjatu'yaṃ kāyo maṃsapesī visīyaruṃ
ubhojannukasandhīhi jaṅghāyo papatantu me (Thera-Gāthā 312).
so ekadivasaṃ vassānakāle deve vassante sāradārūni jāletvā aggiṃ visīvento phalakatthare nipajji (Jātaka II, 68, 15-17).
yathā mahārāja koci puriso hemantike kāle aggiṃ jāletvā visīvetvā avijjhapetvā pakkameyya (Milindapañho 47, 1-2) 〔6〕 .
Andererseits will das Pali-English Dictionary āsīyati von √ śī + ā ableiten und führt als Bedeutungen“to have one's home, one's abode or support in (loc.), to live in, thrive by means of, to depend on”.Diese Erklärung trifft meines Erachtens nicht das Richtige.Wenn wir nur den Beleg aus Milindapañho 75 hätten:
kaddame jāyati udake āsīyati 〔7〕 ,
würden wir daran keinen Ansto nehmen dürfen.Aber wir haben jetzt dazu noch eine Stelle aus Mahāvastu-avadāna , wo āsīyati ebenfalls belegt ist:
hanto mārṣa na jānāsi laṃghayante pi vaddhati |
āsīyati khanante pi dṛḍhaṃ tāmramayaṃ puraṃ ‖ (III, 86, 2-3).
Die entsprechenden Parallelstellen im Chinesischen Tripiṭaka lauten: (Als) wir beabsichtigen, unten an der eisernen Stadt (mauer) durchzubrechen und Löcher zu machen, um uns aus der Not zu befreien und zu vermeiden, gefesselt zu werden, da dehnt sich die Stadt (mauer) vielfach breiter aus. (Als) wir sie darauf übersteigen und (so) herauskommen wollen, da wächst die Stadt (mauer) immer höher 〔8〕 .
(Als) wir den Gedanken fassen, (nach Jambudvīpa) zurückzukehren, vervielfacht sich die eiserne Stadt (mauer) dann und ist nicht zerstörbar 〔9〕 .
Wir fassen diesen Gedanken: Wir sollen gemeinsam diese Mauer zerstören und durchgraben, um nach unserer Heimat zurückzukehren.Doch kaum haben wir diesen Gedanken gefasst, da wird diese Mauer doppelt so hoch als gewöhnlich 〔10〕 .
Wir wollen die Stadt (mauer) überschreiten, (da) wächst die Stadt (mauer) höher; (wir) wollen (Löcher) durch den Boden graben, (da) schlieen die Löcher sich wieder 〔11〕 .
Demnach können wir die Stelle aus Mahāvastu-avadāna nur folgenderma en übertragen:
Wohlan, Lieber!Weit du nicht: wenn man die feste eiserne Stadt (mauer) übersteigen (will), wächst sie (immer höher) ; wenn man sie durchgraben (will), dehnt sie sich aus?
Schon Morris hat mit Recht festgestellt, da āsīyati etwa die gleiche Bedeutung haben mu
wie pavaḍḍhati oder saṃvaḍḍhati .Dabei berücksichtigt er die Parallelstellen zu der oben zitierten Stelle aus Milindapañho 75:
yathā mahārāja padumaṃ udake jātaṃ udake saṃvaḍḍhaṃ (Milindapañho 375) ;
yathā pi udake jātaṃ puṇḍarīkaṃ pavaḍḍhati (Thera-Gāthā V. 700).
Aber sein Versuch, āsīyati von √ śrā (śrai, śai oder śrī ) abzuleiten, ist sicher falsch, worauf schon das Pali-English Dictionary aufmerksam gemacht hat.Denn das Kausativum von √ śrā, śrapayati bedeutet nach P.W.nur“kochen, braten, rösten, gar machen oder brennen”; āśṛta bedeutet“angekocht”.
Ich glaube, daβ wir Trenckner und Müller beipflichten müssen, āsīyati von √ śyā abzuleiten.Was Trenckner unter diesem Wort versteht, wissen wir nicht 〔12〕 .Die von Müller angegebene Bedeutung“to cool oneself”ist bestimmt falsch.Nach P.W. (kürzere Fassung) bedeutet √ śyā “gefrieren-, gerinnen machen”; mit ā “trocken werden”.āśyāna (Kādambarī 33, 11[58, 11]) bedeutet“dick geworden, geronnen”.Die Bedeutung“wachsen”oder,“sich ausdehnen”ist nicht angegeben.
Wenn wir aber die Bedeutungsentwicklung einer sinnverwandten Wurzel verfolgen, dürfen wir wohl annehmen, daB die gleiche Entwicklung auch hier eingetreten sein könnte.√mūrch bedeutet ursprünglich“gerinnen”, dann aber“erstarren”,“ohnmächtig werden” 〔13〕 , auch“an Umfang gewinnen”(vgl.Monier-Williams, A Sanskrit-English Dictionary :“expand, increase, grow”).Demnach könnte √ śyā dieselbe Bedeutungsentwicklung durchgemacht und in durchaus natürlicher Fortbildung die Bedeutung“an Umfang gewinnen”bekommen haben.Diese Bedeutung paβt überall in die oben zitierten Belege von āsīyati .
Anmerkungen
〔1〕 The Milindapañho , London 1880, S.422.
〔2〕 Pali Grammar , London 1884, S.40-41.
〔3〕 Journal of the Pali Text Society 1884, S.72-73, übernommen von T.W.Rhys Davids, SBE., XXXV S.117.
〔4〕 Die Fragen des Milindo I, S.122.
〔5〕 Pali.Literatur und Sprache , Strassburg 1916, § § 25, 1; 38, 5; 126; 175.
〔6〕 Vgl.Dh Co.I.2252 , 261; II.89; Jā.68.25; 69.2; Vin.IV.115.
〔7〕 Das Pali-English Dictionary übersetzt: (The lotus) is born in the mud and is supported or thrives by means of the water.
〔8〕 我等共念穿铁城下令作孔穴欲求逃难冀免系缚其城即便更宽数倍复欲踰越而出城逐增高 (根本说一切有部毗奈耶 Mūlasarvāstivādanikāya-vinaya , Nanjio No.1118, T.I.No.1442, Djüan 47, T.I.Bd.23, S.888c Z.12-14v.r.).
〔9〕 我等生念欲还此铁城便化数重不可败坏 (经律异相Textauszüge aus Sūtra and Vinaya , Nanjio No.1473, T.I.No.2121, Djüan 43, T.I.Bd.53, S.222c Z.9-10v.l.).
〔10〕 我作是念我等当共破掘此墙还归本所适发心已此墙转更倍高于常 (中阿含经 Madhyamāgama, Nanjio No.542, T.I.No.26, Sūtra 136, T.I.Bd.1, S. 643c Z.7-9 v.l.).
〔11〕 我欲上城城即增长掘地欲出其孔还合 (佛本行集经Abhiniṣkramaṇasūtra, Nanjio No.680, T.I.No.190, Djüan 49, T.I.Bd.3, S.881a Z.4-5 v.l.).
〔12〕 Fälschlich schreibt das Pali-English Dictionary :“but taken by him (Trenckner) in meaning to thaw, to warm oneself”.
〔13〕 Siehe Lüders, Philologica Indica , Göttingen 1940, S.180.Anm.1.Diesen Hinweis verdanke ich meinem Lehrer Herrn Prof.Waldschmidt.